Wenk

Ihn durchzuckte ein heftiger sichtbarer Schauer, als sie zugab, dass ihre Mutter Jasmina hieß. Das alles konnte kein Zufall sein, und wenn Ava Jasminas Tochter war- dann vielleicht auch seine?! Hatte er es etwa mit seiner eigenen Tochter gemacht? Wenk wurde gerade kotzübel, und er stürzte aus Avas Zimmer. Bea und Dijana waren gerade am Reden. "Geh Mal schlafen" herrschte er Bea ziemlich rabiat an, sie wirkte total verwirrt, ging aber. Wenk wollte unter vier Augen mit Dijana reden. "Also hör Mal zu... Das ist so..." Er erzählte Dijana von seinem Verdacht, aber natürlich nicht, dass er mit Ava geschlafen hatte. "Und versteh ich das richtig, du willst jetzt von mir, dass ich n DNA Test von euch beiden mache?" Fragte sie. Wenk nickte. "Das ist illegal. Aber ich mach's" stimmte Dijana widerwillig zu. Wenk musste anschließend erstmal nach Bea schauen. Die rothaarige stand gerade unter der Regendusche. Ohne zu überlegen zog er sich ebenfalls aus und stieg zu ihr unter die Dusche. Bea war sichtlich überrumpelt. Nach 5 Jahren... Nach Mina, Ava und Camilla. Wenk küsste sie, und Bea drückte ihn sanft aber bestimmt von sich weg. "Sorry aber ich kann's nicht mehr" flüsterte sie leise und stürmte aus der Dusche. "Wegen Martin?" Fragte Wenk. "Ne weil du mich offensichtlich für psychisch krank hältst. Außerdem... wie du dir kleine angaffst..." Klatschte sie ihm. Das hatte getroffen, klar, aber um ehrlich zu sein faszinierte diese Ehrlichkeit ihn schon immer an ihr. Somit trafen sie alle wieder beim Brunch aufeinander...

Wenk

"Was weißt du über deine Eltern? Und wie bist du großgeworden?" fragte er sie leise. Er saß immer noch hinter neben ihr, und sie hatte sich gegen ihn gelehnt, während er ihre Haare bearbeitete.

Wenk

"Vergiss es. Hast mich nur an meine Exfreundin erinnert. Du hast echt viel von ihr" erwiderte ich leise. Ein paar Minuten später sah sie schon wieder ganz ansehnlich aus... Zumindest bis sie sich vollkotzen würde. "Darf ich dich was fragen?" Meinte er leise und flocht ihr die Haare zu einem französischen Zopf.

Wenk

"Vergiss es" er stand in der Tür, die er hinter sich geschlossen hatte, und hielt ihr ihre Vorräte unter die Nase, die er ihr letzte Nacht unbemerkt entwendet hatte. Wortlos schmiss er ihr normale Ibuprofen rüber und holte ein paar alltagstaugliche Anziehsachen aus ihrer Tasche und den Einkaufstüten von gestern. Wenk setzte sich neben Ava, und er föhnte ihr wortlos die Haare trocken und kämmte sie sanft. Er wusste genau, was sie durchmachte, und er hatte es geschafft, aber Jasmina konnte er damals nicht helfen. Dann wollte er jetzt zumindest Ava helfen, zumal Dijana diese überragende Ähnlichkeit ebenfalls nicht entgangen war...

Wenk

Er konnte definitiv nicht mehr klar denken, Kopfschmerzen hatte er und irgendwie ganz durcheinander irgendwelche Erinnerungen. Dijana hatte Bea angerufen, die Ava mit dem Auto abgeholt hatte, und Bea nahm gerade ihre Wildschweine in dem kleinen Schlachthaus auseinander. Dijana hatte Wenk klargemacht, dass Ava ziemlich Glück gehabt hatte, sie hatte lediglich ein paar Hämatome am Rücken, einen verstauchten Knöchel und eine leichte Gehirnerschütterung, der Reithelm war kaputt. Wenk saß mit Dijana am Frühstückstisch, und die Blondine war ziemlich geladen. "Bea ist nicht suizidgefährdet" sagte sie bestimmt. "So gut solltest du sie inzwischen echt kennen" er nickte, Dijana hatte recht. Außerdem musste Bea wirklich ziemlich verzweifelt sein, wenn sie mit einem Kind zu ihm kam. "Bea braucht dich jetzt, Wenk. Wegen der Geschichte zwischen euch beiden damals ist ihre Beziehung mit Martin kaputtgegangen" Dijana versuchte, ihn ins Gewissen zu reden, und Wenk hörte ihr nur abwesend zu. Jasmina, Bea, Camilla, Ava, letzte Nacht.... Und er sah kurz zu Dijana rüber, stellte sie sich vor mit locker zusammengebunden Haaren und in Arztkittel und stellte fest, dass er sie auch super gerne doch Mal gevögelt hätte- jedoch respektierte er sie viel zu sehr, denn sie war gute 6 Jahre älter als er. Bea kam hoch, ein paar Blutspritzer auf der engen Softshell Hose und dem jägergrünen Pulli, und dieses triumphierende Glitzern in den Augen, trotzdem ziemlich müde. Wenk konnte es nicht anders sagen, es wäre gelogen abzustreifen, dass sie nicht noch immer ihren Reiz auf ihn hatte. Er beschloss, kurz nach Ava zu schauen, und die beiden Schwestern allein zu lassen.

Wenk

Vengo tauchte in der Dunkelheit neben Dalina auf, die Pferde tobten pochend durch den Schnee. Bei ihrem Sliding Stop wäre selbst Wenk fast runtergeflogen. Er sah kurz um sich rum, und im Schnee sah er frisches Blut glitzern. "Bea!" Rief er in die Dunkelheit. "Bist du bekloppt ich hätte fast dein Pferd erschossen!" Zischte sie und kletterte vom Hochsitz, ehe sie Dalina erkannte und auf einmal ganz ruhig und bedächtig wurde. "Du hast nie gesagt, dass du sie wieder reitest" merkte Bea leise an. Wenk sah ihre Tränen im Mondschein glitzern. Dalina schmiegte sich an sie. "Hab ich auch nicht, Ava..." Er sah kurz zu Vengo, doch der Rücken des Tieres war leer. Wortlos tauschte er mit Bea die Pferde, ehe er sein Auto erkannte und drei kleine Wildschweine, die im Schnee lagen. Bea war eine verdammt gute Jägerin- jeder Schuss ein Treffer, die Schweine waren sofort tot. "Du warst doch mit ihr weg, wo ist sie?" Fragte Bea Wenk. "Du hast sie alleine reiten lassen, weil du Angst hattest, dass ich mich totschieße? Ich weiß nicht, ob ich das süß oder idiotisch finden soll... Ich glaub, das ist eher idiotisch" schrie Bea ihn an. Inzwischen kündigte sich zum Glück bereits der morgen an, es taute, und wurde heller. Bea holte die Hunde aus dem Jeep, ehe sie auf Dalina stieg. Sie war super angespannt. Wenig später trennten sich die beiden, um nach Ava zu suchen. Plötzlich hielt Wenk inne. Der Schnee hinter ihm knirschte laut, wie unter den Hufen eines... Nicht ganz so schwerlinigen Pferdes. In der Morgensonne erkannte er eine Blondine auf einem Haflinger. "Dijana... Hast du ein Gespür dafür, wann ich dich brauche?" sagte er leise. "Wohl eher dafür, wann Bea mich braucht" erwiderte sie und lachte auf. Die Hunde waren bei Bea, und plötzlich blieb Legolas stehen. Der Haflingerwallach schubste die leblose Ava an. "Die Erklärung bist du mir noch schuldig" mahnte Dijana Wenk und die Unfallchirurgin checkte Ava fachmännisch durch. "Ach du scheiße. Das Mädchen sieht aus wie deine Jasmina" stellte sie ebenfalls tonlos fest. Im Gegensatz zu Bea, die damals auf der anderen Farm ihrer Eltern in Portugal gewesen war, hatte Dijana zwei Tage Gelegenheit, Jasmina kennenzulernen, die anschließend aus dem Programm geflogen war, weil sie weiterhin ihre Kontakte ins Millieu gepflegt hatte. Im Gegensatz zu Wenk hatte Jasmina Disziplin gefehlt, und sie hatte auch viel zu heftig in der Scheiße gesteckt. Schließlich müsste man ein Hilfsprojekt nicht ohne Grund verlassen.

Wenk

Nochmal. Es knallte in der Ferne. Vengo und Dalina wieherten auf, in der Ferne aus dem Tal hörte er leises Heulen. Von Hunden. Die Stimmen von Chico und Bella hatte er sofort ohne zu zweifeln identifiziert. Außerdem gab es hier in näherem Umkreis weit und breit keine weiteren Hunde- genau genommen gar nichts. Wenk hatte Kopfschmerzen, er fühlte sich unglaublich gerädert, schaute aufs Handy, kein Netz hier oben. Im Nu war er angezogen. "Verdammte Scheiße. Bea du bist so unglaublich krank" fluchte er und stürzte aus der Hütte, trenste Dalina und zog durch den inzwischen zur Hälfte abgetauten Schnee von Dannen, ließ den Sattel hängen, keine Ahnung, ob Ava ihm folgte, wenn dann auf Vengo, der sich ganz anders reiten ließ als Dalina. "Wo ist die Mama?" Fragte er die Stute leise, die sich plötzlich von ihm reiten ließ, als hätte sie kapiert, um was es ging, ohne Fragen, sie rannte einfach nur los, tief in die Nacht hinein, Wenk bremste sie nur, wenn es gefährlich war- und Dalina wusste, wo die Reise hinging...

Wenk

Ava war im Nu ausgezogen und hatte sein bestes Stück herausgefummelt, ritt ihn einmal, und er kam echt super schnell, die ganzen letzten 5 Jahre hatte er enthaltsam gelebt, und dementsprechend geil auf sie war er jetzt auch, und spätestens als sie sein Ding danach wieder hochbließ, war sein Kopf wie leergefegt. Danach besorgte Wenk es ihr, sodass auch sie auf ihre Kosten kam, und es schoss ihm kurz durch den Kopf, ob er vielleicht der erste war, den sie aus sowas wie Liebe bumste, denn bei Jasmina war er genau das gewesen, und sie hatte so unglaublich viel von ihr, wahrscheinlich war im nicht nur einmal während des Abends "Mina gib's mir" rausgerutscht, doch Ava fragte zumindest in dieser Situation nicht weiter nach. Wenig später war er mit leerem Sack und Kopf neben ihr eingeschlafen, doch vermutlich redete er im Schlaf, es war super sinnlos, Camilla, Jasmina, Bea, Dijana, wobei er mit letzterer niemals geschlafen hatte, aber sie alle waren besondere Frauen in seinem Leben, und er verlor sie alle auf einmal und musste weiterleben, und dann... Schweißgebadet wachte er mitten in der Nacht auf, könnte einen Knall nicht zuordnen, der Aufprall des Unfallautos, von dem er geträumt hatte?! Nein, das war real. Von jetzt auf gleich war Wenk hellwach.

Wenk

Ich kniff die Augen zusammen, hell yes ich würde gerade ziemlich viel geben, um in dieser Nacht mit Bea zusammen zu sein, vermutlich, wenn ich noch verheiratet wäre statt verwitwet, hatte ich sogar meine Ehe mit Camilla dafür riskiert, nur diese eine Nacht- vor genau der Hälfte von Beas Leben- sie hatte deswegen ihre Beziehung mit Martin zerstört, weil wir vor fünf Jahren genau hier schwach geworden waren, und ich gab mich den Gedanken hin und ich sah Ava kurz an und sie sah einfach aus wie Jasmina, die mich zum ersten Mal Liebe und Sexualität kennenlernen hat, und so zog ich sie an mich und drückte sie in meinen Schritt und begann, sie leidenschaftlich zu küssen. Und ich wollte sie gerade einfach nur ficken und Bea und Camilla vergessen, deswegen ließ ich sie machen und meine Hände öffneten ihren BH und ich griff Uhr an die Brüste...

Wenk

Ich schaute durch die Hütte, auf dem Kaminsims stand noch ein Bild von mir auf Vengo und Bea auf Dalina damals, Beas Vater Sascha stolz die Schleifen für die erste Staatsprämie an die Trensen der beiden Pferde clippend, und ich lächelte bei der Erinnerung daran, ehe ich den Korken der Flasche nach dem Bild warf, damit es umkippte und Ava es im schummrigen Kaminlicht nicht erkannte, doch es war schon zu spät, während ich versuchte, den Kopfspuk wegzutrinken, Beas Blutungen hier nach dem Sturz auf dem Vorgänger dieses Sofas wo Beas ältere Schwester Dijana, die damals Medizinstudentin war, und ich sie hingebracht hatten, nach dem Sturz. Das Flashback war da, hier, und dieser Tag machte es nicht besser, und so leerte auch ich ein Glas nach dem anderen von dem umgekippten Rotwein, während ich lustlos in dem hauchzarten Wildfilet rumstocherte.

Wenk

Inzwischen war es kurz vor zappenduster, und alles um uns herum war weiß, die Pferde versanken schon bis zu den Sprunggelenken im Schnee, meine Wangen waren eiskalt und der Schneesturm peitschte uns immer stärker werdend in Gesicht. "Das ist zwecklos, unten drunter ist alles vereist, bergab rutschen die Pferde" schrie er Ava rüber. Wenige Meter später lenkte er Vengo vom Weg ab. "Links lenken jetzt" rief er Ava zu "Und abspringen schnell" er rutschte aus dem Sattel, wenig später ging über den Pferden via Bewegungsmelder ein Licht im Unterstand an, und Vengo und Dalina fingen an, das Heu auf dem Boden zu knabbern. Ich nahm Vengo die Trense und den Sattel ab, und bedeutete Ava, das gleiche zu tun. Dann verschlossen wir die Boxen. Im überdachten Weg hingen wir die Sachen über den Zaun. Mein Schlüsselbund klimperte, das Licht in dem Tunnel ging an, und wir betraten die Jagdhütte durch den Hintereingang. Wie lange ich nicht hier gewesen war? Seit dem Tod meiner Frau hatte ich mit Bea genau eine Nacht hier verbracht... Ich verband alles mit ihr, unsere Leben waren so miteinander verwoben, sie war hier groß geworden, das alles hatte ihr gehört, dann war sie vor ungefähr 5 Jahren wegen ihrem damaligen Freund nach Deutschland gezogen, und ich von Deutschland nach hier, hatte ihren Hof gekauft, ihr Leben, denn ich brauchte nach dem Tod meiner Frau einen Tapetenwechsel und das alles hier war der Ort, ohne den ich meine Frau nie kennengelernt hätte und nie das Geld verdient hätte, mich irgendwo zu Hause zu fühlen, irgendwie so... Angekommen. Das mit Bea und Martin hatte leider nicht so lange gehalten, und ich konnte ihr nicht mehr in die Augen schauen seit alldem. Egal. Ich sollte mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Und jetzt war ich mit Ava hier. Und ich hatte ziemlich Hunger. Der Fernseher ging nicht wegen des Schneesturms, und ich heizte den Kamin an. Anschließend schaute ich die Schränke durch und die Kühltruhe, und ich bastelte uns ein nettes Rotwildgericht, zu dem ich eine gute Stunde später etwas gekippten Rotwein mit Ava auf der Couch genoss... Eine mittelprächtige Idee...

Wenk

"Doch, doch sicher. Alles in Ordnung" erwiderte ich schnell, vielleicht etwas zu schnell, damit sie nicht bemerkte, dass sie mich aus der Fassung gebracht hatte. Ich sah zu Dalina, und sie sah zu mir. Da war keine Wut, ich sah nur ein sehr liebes Pferd, was darunter litt, seit 17 Jahren niemanden mehr auf seinem stolzen Rücken umher zu tragen. Dalina war eine sehr liebevolle Stute, und Bea liebte sie über alles, und seit Bea nicht mehr so viel Zeit mit ihr verbrachte, war Dalina sehr traurig geworden. Ruhig blieb sie stehen, während ich ihr das Barepackpad auflegte und Ava die gebisslose Trense übergab. Kaum dass ich näher an ihren Kopf trat, wurde Dalina sofort nervös. Ich trat zurück, und erklärte Ava aus der Ferne, wie man trenst. "Und jetzt schnippst du mit den Fingern" erklärte ich ihr, und Dalina legte sich auf das Kommando hin, damit Ava aufsteigen konnte. So wie Bea es ihr damals beigebracht hatte. Die Dämmerung begann schon, als wir losritten, und je höher wir in Richtung Gipfel schritten, desto mehr verwandelte sich der Nieselregen in einen stärker werdenden Schneesturm...

Wenk

Ich schluckte und sah zu der bildschönen, kleinformatigen Noriker Grullostute, die friedlich den Kopf aus dem regennassen Gras hob. Die Stute war jetzt 21, an und für sich ein sehr ruhiges, ausgeglichenes Pferd. Jedoch war sie sehr sensibel. Sie sah auch mit dem Herzen. Sie war auch dieses Jahr frisch von Vengo tragend, doch seit genau 17 Jahren nicht geritten. Sie machte ein paar Schritte auf uns zu, und betrachtete Ava neugierig. "Unter hunderten von Pferden hast du sie ausgesucht?" fragte ich Ava skeptisch, und versuchte, nicht verunsichert zu klingen. Dalina, das Pferd, schnaufte. Sie war das einzige Pferd hier, das ich wirklich Angst hatte, zu reiten- davon abgesehen war sie mir wohl ein klein wenig zu klein und zu zierlich.

Wenk

Ich legte schweigend noch ein paar Reithandschuhe dazu und ein Päckchen Pferdekekse, Hundeleckerlis und ein mintfarbenes Fohlenhalfter mit Strick, von dem ich annahm, dass es ihr gefiel. "Dann haben wir alles...Wir müssen uns auch langsam beeilen, sonst wird's schon dunkel, und du hast noch nie auf einem Pferd gesessen" erklärte ich, und wenig später waren wir wieder zu Hause. Bea war inzwischen auf der Couch beim Fernsehen eingeschlafen, und Bella und Chico teilten offensichtlich ihren Faulheitsmodus, obwohl sie Bea ebenfalls nicht kannten, denn ich hatte sie vor 5 Jahren das letzte Mal gesehen- auf der Beerdigung meiner damaligen Frau und meines Sohnes- und die Hunde hatte ich erst seit knapp 2 Jahren. "Zieh dir Reitsachen an, wir treffen uns gleich im Stall" sagte ich zu Ava, deckte Bea liebevoll zu und ging mich dann ebenfalls umziehen. Wenig später traf ich Ava im Stall wieder. Es hatte angefangen, zu nieseln, und sich wieder runtergekühlt. Vengo hatte offensichtlich das Weidentor geknackt und wieder hinter sich verschlossen, und so marschierte der kräftige Norikerhengst Richtung Stall, um nicht nass zu werden. Im Nu hatte ich ihn fertig für den kurzen Ausritt- Spikes in den Eisen, Trense, Ausreitdecke, Westernsattel. "Du trägst mir was" beschloss ich, legte ihm ein Barepackpad samt Sattel auf und hängte ihm eine gebisslose Trense und eine weitere Ausreitdecke über. "Wir suchen dir jetzt ein Pferd aus" beschloss ich, ging mit Ava in Richtung der Weiden. In gut einer Stunde würde es dunkel werden. Wenig später fanden wir uns zwischen hunderten von Haflingern und Norikern in jedem Alter und jeder Größe und jedes Geschlechts wieder. "Wähle weise- und denk daran- man sieht nur mit dem Herzen gut" riet ich Ava. Meine Pferde waren alle schön, rassig, reinrassig- trotzdem musste es passen.

Wenk

"Ich weiß. Heute vor 17 Jahren..." nahm ich Beas Stimme wahr. "Ich weiß. Sprech's nicht aus" flüsterte ich und legte ihr den Finger auf die Lippen. Ich hielt sie fest in meinen Armen, aber man konnte sie nicht alle retten. Sie dachte immer noch jeden Tag dran, und die letzten fünf Jahre, die wir nicht zusammen gearbeitet hatten und sie mir keine Kinder zugeschustert hatte, hatten daran nichts verändert. Im Gegenteil, dass sie mich nach all der Zeit so verzweifelt angerufen hatte, hatte mir nur gezeigt, wie sehr sie noch an der Vergangenheit hing. Aber es hatte nicht sein sollen. Trotzdem war sie mir alles andere als egal. Ich stand auf und beschloss, in der offenen Küche Apfelpfannkuchen zu backen- Bea hatte sie damals geliebt- nachdem ich Ava eine Tasse hingestellt hatte. Bella und Chico hatten es sich derweil neben den Damen auf der Eckbank gemütlich gemacht. Nach dem Frühstück hatte Bea sich soweit angeregt, dass sie schlafen konnte. "Dann geh in mein Zimmer, wie du willst. Ich zeig Ava derweil die Gegend und ihre Arbeit" beschloss ich. Ich hatte die Schuhe angezogen und den dicken Pulli aus, denn es war warm geworden, und als ich in der Küche die Pfanne spülte, war Bea bereits auf der Bank eingenickt. Inzwischen war es um die Mittagszeit. "Wir fahren kurz in die Stadt und kaufen dir Stallklamotten und noch ein paar andere Sachen, und dann zeig ich dir bei einem Ausritt die Gegend" erklärte ich Ava. Gesagt getan fand sie sich später sichtlich überfordert in einem Reitshop wieder.

Wenk

Nachdem sie sich mit den Pferden halbwegs vertraut gemacht hatte- mir hatte nur gereicht, zu sehen, wie sie mit ihnen umging, beschloss ich, erstmal reinzugehen. "Du bist sicher müde und willst dich umziehen und baden oder duschen" merkte ich an und verließ mit ihr den Stall. Wenig später betraten sie das Haus. Ich führte sie nach oben. "Hier ist dein Zimmer" sagte ich. Chico klebte immer noch der Kleinen an den Hacken, deren Tasche ich wortlos reingetragen hatte. "Wenn du fertig bist, kannst du ins Wohnzimmer nebenan kommen" erklärte ich ihr und ging rüber zu Bea, die im Wohnzimmer am Tisch saß und Schwarztee trank. "Siehst immer noch scheiße aus, meine Süße" sagte ich leise und vergrub meine Nase in ihrem nassen, nach Hafermilch duftenden roten Haar. Wir schwiegen uns an.

Wenk

Ich wusste nicht, wo es Jasmina damals hin verschlagen hatte, das Programm hatte uns damals getrennt, doch ich vermutete schon damals, dass sie tiefer in der Scheiße steckte, als ich. Wir gingen an einem Fass Äpfel vorbei, die ich vor wenigen Tagen frisch von meinen Bäumen geerntet hatte. Ich nahm noch eine Pferdedecke und legte sie Ava um, ohne sie zu fragen, dann nahm ich zwei Äpfel aus dem Fass und reichte einen der jungen Noriker Fuchsstute zu meiner linken, und einen Ava zu meiner rechten. Ich schloss mit meiner Hand ihre kalten Finger darum, damit sie ihn auch wirklich nahm. Hunger hatte sie wahrscheinlich keinen, aber danach würde es ihr besser gehen.

Wenk

Sie ging an ihr Handy, und ich verstand ein paar Brocken, schließlich war meine damalige Freundin auch ursprünglich aus Finnland gekommen, bevor wir uns auf irgendeiner Straße in Berlin kennengelernt hatten. "Interessante Probleme hast du, Ava" merkte ich nur mit neutraler Stimme an, völlig ohne Bewertung, nahm ihr aber das Handy ab. Sie protestierte vorerst, dann jedoch sagte ich ihr "entweder du gibst es mir, oder ich erzähl das alles Bea, ich glaub, das wird sie brennend interessieren" meinte ich, denn ich wusste, wie meine Freundin ihre Programmanwärter auswählte. Und damit wäre sie definitiv raus. Für viele Jugendliche war sowas hier die letzte Chance, und ich selbst bin ebenfalls so Clean geworden, zum Glück gerade rechtzeitig, bevor mein Vorstrafen Register ewig lang war, denn sonst hätte ich wohl kaum jahrelang Familienrechtsanwalt sein und das Geld für all das hier scheffeln können. Ich mochte die Kleine, irgendwas hatte sie von Jasmina...

Wenk

Dieses widerspenstige Verhalten ihrerseits machte mich ziemlich an, meine Freundin damals war ebenfalls so gewesen, wenn wir versucht hatten, runterzukommen, vor allem wenn sie es versucht hatte, und ich noch drauf war. Keine Gedanken dran, Kopf aus. Ich ging zielstrebig geradeaus, durch die Stallgassen, wo die trächtigen Stuten standen, Haflinger wie Noriker, oder mit frischgeborenen Fohlen. Sie alle fraßen friedlich durch die Gitterfenster an den Heuballen in der Stallgasse. Mein Alltag, doch die Kleine schien fasziniert. Bella tollte voraus, doch Chico hing ihr am Rockzipfel. Sie schaute in jede Box rein, und ich musste unwillkürlich lächeln, denn ich kannte meine Stuten- störrische Zicken, manche mehr als andere, jeden Alters, die zu dieser Fremden vertrauensvoll hingingen und sogar ihre Fohlen schnuppern und anfassen ließen. Wortlos zog ich ein paar Pferde Leckerlis aus meiner Hosentasche, und reichte sie dem Mädchen. "Oh entschuldige, frierst du nicht?" Ich sah sie an, sie war viel zu dünn an, außerdem in Entzugserscheinungen fror man immer- so war es zumindest bei mir gewesen. Doch die Abschwitzdecken auf den Deckenhaltern an den Boxen waren alle frisch gewaschen. "Falls doch, bedien dich doch einfach" ich hielt kurz inne, sah ihr zu, wie der Kontakt mit einer der Stuten und dem Fohlen ablief, und deutete auf die kuscheligen Fleecedecken.

Wenk

"Bella und Chico! Sofort hierher" zischte ich den Hunden zu, wobei Bella sofort verschämt angetrabt kam, während Chico sich eher für das Mädchen als für mich interessieren zu schien. Ich war noch nicht richtig wach, und ich wusste, dass Bea es hasste, wenn ich die Tiere anschrie, also ließ ich ihm das für diesen Moment durchgehen. Bea und ich regelten kurz ein paar formale Sachen und unterhielten uns kurz über die Kleine, die ich jetzt erstmals musterte. Hübsches Mädchen, aber der Rauschmittelkonsum hatte definitiv seine Spuren hinterlassen. "Geh erstmal duschen und leg dich hin, kennst dich ja hier aus" knurrte ich Bea zu, ehe ich mich von ihr abwandte, um Chico von der Kleinen wegzuholen. "Wenk... Danke" hörte ich Bea flüstern, lächelte sie aber nur kurz an, ehe sie ins Haus verschwand und ich so dicht vor der Kleinen stehenblieb, dass ich Chico am Halsband wegreißen konnte, so saß die Kleine vor mir auf dem Boden und kämpfte ganz offensichtlich mit Schwindel, Gleichgewicht und Co. Ich wusste nur zu gut, wie sie sich fühlte. "Steh erstmal auf, ich zeig dir alles" meinte ich verschlafen und reichte ihr die Hand nach unten, um sie hochzuziehen.